Dr. Jan Georg Plavec hat 2011/12 bei der Stuttgarter Zeitung volontiert und ist dort mittlerweile Leitender Redakteur für Datenjournalismus und Datenprojekte. Für mehrere seiner Projekte ist er bereits ausgezeichnet worden, etwa mit dem Konrad-Adenauer-Preis für den „Feinstaubradar". Jüngst dazugekommen ist, gemeinsam mit seinem Kollegen Simon Koenigsdorff, der Theodor-Wolff-Preis für die "Klimazentrale"- und das wird auch Thema seines Workshops sein. Vorab haben wir uns mit ihm über Daten und das Klima unterhalten.

Jan-Georg, du arbeitest seit Jahren als Datenjournalist - warum begeistert dich das Thema so? Denn vielen Journalisten graust es ja schon wenn sie nur etwas hören, das im Ansatz mit Mathe und Zahlen zu tun hat...
Datenjournalismus ist nicht zwingend immer nur Mathe, sondern Arbeiten mit einer Evidenz und mit Realitäten, um die es Journalisten immer gehen sollte. Mich fasziniert, dass Datenjournalismus diese Evidenzorientierung hat. Und ich glaube, dass wir über die Auseinandersetzung mit Daten und der Auswertung für ganz viele Themen dieser Zeit einen neuen und wichtigen Kompass bekommen.

Heißt?
Den Klimawandel kann kein Mensch am eigenen Leib wahrnehmen, er passiert einfach in Zeitlupe. Coronaviren kann keiner sehen, und die Energiekrise ließ sich auch nur in Daten abbilden. Der Zugang über Daten ist deshalb ganz wichtig, um diese Probleme mit der angemessenen Evidenz zu behandeln.

Stichwort Klima, das ist ja auch das Thema deines Workshops beim MZF. Ist er denn auch für Lokaljournalisten geeignet, schließlich ist es doch sicher nicht einfach, an die entsprechenden Daten zu kommen und vor allem zu verarbeiten?
An sich ist das nicht schwierig. Das werde ich auch in dem Workshop mit eigenen Bordmitteln als nicht-programmierender Journalist zeigen. Man kann natürlich auch sehr weit gehen mit dem Programmieren, was wir mit der "Klimazentrale" auch gemacht haben, mit Live-Schaubildern und vielem mehr. Man kann aber viel kleiner anfangen, indem man sich zum Beispiel die offenen Daten vom Deutschen Wetterdienst herunterlädt und schaut, wie warm ist es typischerweise an Heiligabend oder an einem durchschnittlichen Julitag. Und dann wird man immer sehen, dass es früher nicht so warm war wie heute.
Das geht relativ leicht, das versuche ich auch im Workshop zu zeigen. Und dann gibt es viele Ideen, wie man darüber hinausgehend noch Themen generieren kann, die datenbasiert sind.

Was muss man denn mitbringen, wenn man den Workshop bucht?
Mitbringen muss man nur einen Laptop, der internetfähig ist. An Fähigkeiten muss man Offenheit mitbringen für das Arbeiten mit Daten. Und Offenheit auch, sich etwas Neuem auszusetzen. Wir werden am Anfang auf eine relativ große Datentabelle schauen, da ist man natürlich erstmal total überwältigt, weil man nicht weiß, was man damit machen soll. Aber man wird auch schnell sehen, dass man die reduzieren kann auf das eine Thema, das uns an dieser Stelle interessiert. Das gibt dann auchh ein Erfolgserlebnis, das alle Datenjournalist:innen antreibt, wenn sie sehen, ich habe mir aus diesem Wust an Daten meine Schneise geschlagen und am Ende habe ich eine lokale Datengeschichte. Das ist was, was mich angetrieben hat und was auch alle, die an dem Workshop teilnehmen, antreiben wird, um danach weiterzumachen.

Wie ist deine Einschätzung: inwiefern ist Datenjournalismus mittlerweile in der Praxis etabliert? Gibt es Verständnis, dass es viel Arbeit bedeutet und man sich von anderen redaktionellen Aufgaben freischaufeln muss, und auch interdisziplinäre Teams/Mithilfe nötig sind?
Datenjournalismus im Lokalen ist immer tricky mit Blick auf die Ressourcen. Wir haben eng besetzte Redaktionen, und Datenjournalismus kommt da on top, was ich jeder Redaktion empfehlen würde, sich zu leisten, was man sich aber auch leisten können muss. Wir sind bei der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten in der relativ privilegierten Situation, dass wir ein vierköpfiges Team und Zugang zu Webentwicklern haben.

Hört sich perfekt an...
Das war aber bei Weitem nicht immer so, ich habe jahrelang als Einzelkämpfer gewirkt und gezeigt, dass man auch in einem kleineren Setup zeigen kann, wie Datenjournalismus im Lokalen relevante Geschichten abwirft. Das geht aber nicht zwischen Tür und Angel eine halbe Stunde vor Feierabend, sondern man muss da wirklich freigestellt sein, sei es einzelne Tage in der Woche oder in Form von einem Projekt über mehrere Wochen. Nur so kann man sich auch in die Methoden einarbeiten und mit Experten sprechen.
Nichtsdestotrotz, aus dem Workshop wird hervorgehen, dass auch mit nur einem Tag erste Datengeschichten herauspurzeln, die ihr Publikum finden werden. Das ist dann der Anfang, der Rest ist eigene Motivation, auf gute Geschichten zu kommen und den Chef oder die Chefin zu überzeugen. Aber ich bin überzeugt, dass das eigentlich in jeder Lokalredaktion gelingen kann.

Julia Schweizer

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