Zugegeben, die Leitfrage der Fishbowl-Diskussion „Ist der Lokaljournalismus tot?“ war vielleicht etwas sehr drastisch – doch das passte auch zur Entwicklung der Branche. Nahezu alle Zeitungen haben über die vergangenen Jahre an Auflage verloren, manche mussten gar aufgeben, andere wurden fusioniert, viele Redakteure entlassen, das Interesse vor allem von jungen Leuten an lokaler Berichterstattung sinke, so Moderator Christoph Holbein in seiner Begrüßung zur Untermauerung der These. Doch damit erntete er – nicht nur einmal – deutlichen Widerspruch von Dirk Lübke, Chefredakteur des Mannheimer Morgen. „Der Lokaljournalismus ist quicklebendig, und eine Überlebensversicherung für Medienhäuser“, sagte er.

Das gilt sowohl aus Sicht des Radiomachers wie auch online: Im Lokalen könne man Alleinstellungsmerkmale schaffen, sagte Gerhard Mandel, Redaktionsleiter des Kurpfalz Radios des SWR. Nirgendwo sonst könne man so regelmäßig über Geschehnisse in der Umgebung informiert werden. Und der Bedarf dafür ist vorhanden, berichtete die Betreiberin des Blogs „Im Ländle“, Petra Nann, aus eigener Erfahrung: sie kann seit der Gründung expandieren.
Die Diskutanten sahen aber auch eine Notwendigkeit zur Weiterentwicklung, so der Online-Chef der Rhein-Neckar-Zeitung, Götz Münstermann. Möglich sei das durch den stärkeren Einsatz bislang eher wenig genutzter Stilformen und neuer Formate oder von Angeboten wie einem WhatsApp-Kanal für Nachrichten aus der Region, wie die Moderatorin und freie Journalistin Alina Welser sagte.

Doch warum sei derzeit immer nur die Rede davon, dass sich die Redaktionen auf Jüngere fokussieren müssten, fragte eine SWR-Redakteurin, die als erste von mehreren die Chance ergriff, von außen in die Diskussion einzusteigen – so wie es das Fishbowl-Konzept vorsieht. Und erhielt dafür Zustimmung, wenngleich der Blick auf viele Zielgruppen die Arbeit schwerer mache, so Münstermann.

Viele Redaktionen seien da aber auf einem guten Weg, und heute für neue Entwicklungen sensibilisierter, wenngleich Veränderungen immer zäh seien. „Ich glaube, dass sich der Journalismus in den vergangenen Jahren besser an sein Publikum angenähert hat“, so Lübke. Dazu gehören für ihn mehr Hintergrundartikel, aber auch mehr Möglichkeiten zur Interaktion und Diskussion, etwa über die – eher selten eingesetzten – Stilformen wie Pro & Contra, oder der Aufruf zu Leserbriefen. Habe der Mannheimer Morgen davon früher etwa 1500 pro Jahr erhalten, so seien es nun rund 2100. Wichtig sei in dem Zusammenhang auch die Medienvielfalt, womit er nicht nur mehr als eine Zeitung pro Landkreis meinte, sondern ein breites Meinungsspektrum.

Wohl auch deshalb fiel sein Schlussfazit zu der Frage, ob es in 30 Jahren noch Lokaljournalismus gebe, am deutlichsten positiv aus. Doch auch die anderen Teilnehmer der quicklebendigen Runde sehen eine Zukunft, wenngleich er vielleicht anders vermittelt werde, so Mandel. Digitale Kanäle könnten die reinen Nachrichten verbreiten, auf Papier stünde der Hintergrund – oder einem ganz anderen Medium, so die Vermutung von Alina Welser und Petra Nann, die auch die Wichtigkeit von neuen Blickwinkeln betonte und sich durch die vorangegangene Keynote von Laura Himmelreich hatte inspirieren lassen. So oder so: Nachrichten über die eigene Umgebung würden sogar immer wichtiger. Und das ist doch aus Sicht von uns Journalisten vor allem eines: eine gute Nachricht.

MZF Team

https://medien-zukunft-festival.de

Das Medien Zukunft Festival Team schreibt und informiert euch über aktuelle Themen.