Es gab keinen besseren Ort für das zweite Medien|Zukunft|Festival als Mannheim und die Abendakademie – und, trotz allem, kaum eine bessere Zeit für Journalismus. Das sagte nicht nur die DJV-Landesvorsitzende Dagmar Lange zur Begrüßung, sondern wurde auch den ganzen Tag über deutlich. Denn in Zeiten von Fakenews und verantwortungsloser, nur auf viele Klicks ausgelegter Berichterstattung sowie der „nachlassenden Fähigkeit zum offenen Dialog“ und Vertrauensverlusten von Politik und Medien seien seriöse Nachrichten und sachliche Auseinandersetzung gefragt, betonte der Oberbürgermeister der Quadratestadt, Peter Kurz, in seiner Rede. Veranstaltungen wie das MZF19 seien deshalb wichtig, weil sich die Teilnehmenden dabei Gedanken um ihre eigene Verantwortung und die Qualität machten – und davon brauche man mehr. Funktionieren könne Qualitätsjournalismus aber nur mit einer vernünftigen Finanzierung, stieß er ins gleiche Horn wie zuvor schon Dagmar Lange.
Und funktionieren kann er auch nur mit dem entsprechenden Wissen – Kern des MZF19. Denn nach den beiden Begrüßungsreden und der Keynote von Jörg Sadrozinski (Leiter der Reporterfabrik von Correctiv), der den zumeist jungen Besuchern vor allem Mut machen wollte, startete die erste Praxisrunde mit vier Workshops. Besonders stark nachgefragt war dabei „Desinformation und Verifikation“, für diesen Kurs hatte schon zwei Wochen zuvor die Anmeldung geschlossen werden müssen. Sandra Andrés erklärte in den zwei Stunden, wie man Falschnachrichten und Deepfakes in Videos erkennt, um ihnen künftig im Redaktionsalltag oder bei der eigenen Mediennutzung nicht mehr auf den Leim zu gehen. Parallel dazu gab Felix Huesmann Einblicke in seine Arbeit als Politikreporter in Berlin und wie man mit Rechtspopulisten umgeht, welche Sprachcodes sie benutzt und wie man über Extremisten berichtet, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Das noch relativ junge Feld des Datenjournalismus brachte David Hilzendegen vom Südkurier den Teilnehmenden näher, und das mit einer Fortsetzung am Nachmittag. Auch „Live-Journalismus“ mit Mario Geisenhanslüke (VRM) fand über insgesamt vier Stunden statt, in denen er die Grundlagen des Mobile Reporting samt Tipps und Tricks vermittelte, ehe es an eine praktische Übung ging.
Nach der Mittagspause war Zeit für Debatten. Felix Nowroth, ehemaliger Leiter von Handelsblatt Orange, zeigte lebhaft, dass und wie man auch junge Menschen für Wirtschaftsthemen interessieren kann (im Bild). Danach nahm er zusammen mit drei jungen Frauen auf der Bühne Platz, um zusammen mit Moderator Christoph Holbein über den Sinn und Unsinn des Genderns in den Medien zu diskutieren. „Die Menschen wollen sichtbar werden“, so die Meinung von Senta Krasser, unterstützt von Johannah Illgner, während Ilka Bühner Sternchen, Binnen-I oder Partizipbildung nur als große Geste sah, hinter der keine ernste Absicht stehe und die „meist nur so wertvoll ist wie ein Furz“.
So unbestritten richtig wertvoll war da die zweite Workshoprunde. Neben der Fortsetzung von Live- und Daten-Journalismus gab Katharina Nocun Tipps, wie man auch ohne jahrelange Erfahrung und professionelles Tonstudio einen eigenen Podcast starten kann, und welche Tipps und Tricks es da gibt. Wie man das Publikum für das eigene Angebot interessiert, war auch Thema von Lisa Reiff und Janis Dietz (im Bild, mit Referentengeschenk). Die Online-Redakteure berichteten von ihren Erfahrungen mit der Serie „Noch Fragen?“ bei der Heilbronner Stimme, die die Leser stark einbindet, was aber auch so manche Herausforderung mit sich bringt.
Und schließlich gab es im fünften Workshop ein Aufeinandertreffen von Pressesprechern und Journalisten – was nicht immer ohne Ärger abläuft, machte vor allem Ralf Walther von der Stadt Mannheim deutlich. Immer mehr Bildungsarbeit hätte seine Pressestelle – über die alles läuft – zu leisten, oft werde selbst zu Interviews mit dem OB ein Praktikant ohne Vorbereitung geschickt, kritisierte er. Dabei nahm er aber Tageszeitungen aus, die auf dem Podium von Mannheimer Morgen-Chefredakteur Karsten Kammholz vertreten wurden. Auch Joachim Bock, beim Landgericht zuständig für Presseanfragen, klagte über Unwissen. Noch viel gravierender aber sei es, nicht nachzufragen und zu recherchieren. Denn das sei trotz mancher rechtlicher Hürden im Zusammenhang mit Justizverfahren und Auskunftspflichten – davon konnte auch Norbert Schätzle vom Polizeipräsidium berichten – immer möglich. Zeit müsse man aber schon für eine Antwort lassen. Denn nicht jede Pressestelle ist so ausgestattet und erreichbar wie die von großen Unternehmen, die Jens Fey von BASF in der Runde vertrat. Einig waren sich aber alle, dass für ein besseres Verhältnis von Pressesprechern und Journalisten Gespräche auch außerhalb der dringenden Anfragen hilfreich seien – oder eben Veranstaltungen wie das MZF19.
Denn trotz aller Widrigkeiten, die die Branche derzeit erlebt, sei Journalismus, gerade im Lokalen, noch immer ein wertvolles Gut in einer Demokratie. Und nicht nur vielfältig, sondern biete täglich neue, ungenutzte Potenziale, wie das Dagmar Lange eingangs formuliert hatte. Die zu erkennen und einzusetzen – dafür gibt es nach dem #MZF19 wohl keine besseren Voraussetzungen und Gelegenheit!