Nur einmal im Jahr eine Fortbildung? In welchem Bereich? Für effektivere Recherche? Datenjournalismus? Videodreh mit dem Smartphone? Einzelnen Stilformen? Journalismus ist vielfältig, lebendig – und gerade in diesen Zeiten ändert sich viel. Grund genug, sich für einige Veranstaltungen anzumelden und schauen, was es da an Neuem, Spannendem und vor allem Hilfreichem gibt. Eine persönliche Linkliste zu Themen und Infos zu einigen Sessions der doch recht unterschiedlichen Termine.
Zum einen vom Campfire Festival für eine bessere Gesellschaft in Düsseldorf Ende August/Anfang September, das nun zum dritten Mal stattfand. Die vor allem von Correctiv und der Rheinischen Post organisierte zweitägige Wochenend-Veranstaltung hat relativ viele Progammpunkte zum Thema Demokratie und Politik, einige drehen sich aber auch um die Arbeit und den Umgang mit Medien. Das Ganze ist für Teilnehmer kostenfrei.
Speziell für jüngere Medienmacher dürfte es wegen einiger Vorträge interessant gewesen, aber es gab auch ein paar praxisorientierte Sessions für die Erfahreneren, wie etwa Mobile Journalism (Beispiele, was man schon nach einer recht kurzen Einführung machen kann unter bit.ly/12mojos). Gut eine Stunde lang ging es um Theorie zu den Kameraeinstellungen (1080 p, 30 Frames für Full HD) und Tipps zur Ausrüstung. Maximal zehn Sekunden lang sollten Clips sein, so die Empfehlung, zudem die Kamera möglicht wenig bewegt werden und für Zooms drei Schritte verwendet werden: erst das „Zielobjekt“ frontal zeigen, dann von der Seite, dann über die Schulter auf das Handy in der Hand.
In weiteren Sessions ging es um das Thema Recherche, unter anderem mit den Factcheckern von Correctiv. Ein Team aus vier Mitarbeiterinnen prüft dabei pro Monat etwa 40 Postings, Tweets oder auch Videos, die zu diesem Zeitpunkt schon eine gewisse Verbreitung geschafft haben, auf ihren Wahrheitsgehalt. Dafür nutzen sie vor allem die Rückkwärts-Bildersuchen von Suchmaschinen wie Yandex, TinEye, Rev-Eye Reverse Image Search, um festzustellen, ob ein Foto zwar echt ist, aber vielleicht schon früher und in einem anderen Kontext entstanden ist.
Auch Vertreter DER Suchmaschine schlechthin boten Sessions an, sowohl zur Recherche (Tipps zu Suchoperatoren und speziellen Suchmaschinen unter www.bit.ly/2HxP9dq) als auch zu Google Earth – und manchmal kommt man ja erst durch solche Workshops zu Ideen etwa für die Lokalberichterstattung. Denn bei diesem Tool gibt es über das Symbol mit dem Zeiger rückwärts die Möglichkeit, frühere Satellitenbilder „seiner Gegend“ anzuschauen – und vielleicht mit einem aktuellen zu vergleichen (und für journalistische Berichterstattung zu nutzen), indem man beide mit z.B. Juxtapose übereinander legt.
Apropos Ideen: Die gab es auch beim Stand des Medien-Digital-Lands NRW. Dort präsentierte der WDR seine Augmented Reality-App zum Zweiten Weltkrieg, bei der Augenzeugen über ihre Erlebnisse berichteten und als 3D-Projektion in eine aktuelle Umgebung „geholt“ werden konnten. Zudem konnte man sich mit derselben Methode, App und VR-Brille, als Feuerwehrmann betätigen und einen Brand löschen – fast noch eindrücklicher als die vorherige Anwendung.
Und Ideen brachten auch einige Verlagsvertreter in einer Runde ein, in der es um das Thema Bezahlung von Online-Inhalten ging. Allerdings: DAS Allheilmittel schien keiner auf dem Podium gefunden zu haben, wenngleich man bei der Rheinischen Post für RP+, quasi eine Vorstufe zur völligen Bezahlschranke, derzeit viele Neuregistrierungen verzeichne, 130.000 von Juni bis Ende August. Hauptsächlich aber wegen Bundesliga-Berichterstattung, erst dann folgen ein paar regionale Themen.
Die Netzwerk Recherche-Jahreskonferenz
Deutlich etablierter als das Campfire kann man die Konferenz des nr in Hamburg bezeichnen, wo in diesem Jahr vor allem am zweiten Tag Praxis im Vordergrund stand. Workshops gab es unter anderem zum Thema Karten erstellen, um dem Leser besser zu verdeutlichen, wo sich die geschilderten Ereignisse abspielen. Dabei gab es von den Dozenten auch allerlei Tipps, worauf man bei der Gestaltung achten sollte, etwa mit Blick auf die Position von Texten, die Frage von GROß- und Kleinschreibung oder die Farbwahl.
Bei „Recherchieren wie ein Ermittler“ ging es schwerpunktmäßig um Daten über Personen. Und da sind mehr öffentlich einsehbar vorhanden als gedacht, der Trainer Oliver Klein hatte so sogar mal die Handynummer von Prominenten wie Macron oder AKK herausgefunden – und dafür einen Rückruf vom LKA erhalten. Viele Recherchetipps haben die Autoren in einem pdf zusammengestellt. Ähnlich angelegt war „Googlen wie die NSA“ mit Sebastian Erb von der SZ. Sein einstündiger Vortrag wurde dankenswerterweise aufgezeichnet (Video auf Youtube)
Testen konte man sein neu erworbenes Wissen dann bei „Quiztime“. Wie schon 2018 zeigten auch diesmal die Organisatoren hinter dem täglichen Rechercherätsel mehrere Bilder und Videos, deren Ursprung kleine Teams im Wettstreit klären sollten. Mal ging es über die Bilder-Rückwärtssuche von Yandex, mal waren kleine Hinweise wie Telefonnummern und Logos von Unternehmen versteckt, über google Maps kam man dann auf den Standort.
Die re:publica
Die Netzkonferenz re:publica in Berlin ist keine klassische Journalistenkonferenz wie die des nr – aber im Programm fanden sich durchaus einige Themen wieder, wenngleich sich viele dann auf die gesellschaftlichen Aspekte fokussierten, etwa die Relevanz von Social Media und Reaktionen klassischer Medien darauf oder ob Journalismus in der heutigen Gesellschaft eine Zukunft hat (was wir vom #MZF natürlich schon beantwortet haben). Das Fazit dabei passte wunderbar zum diesjährigen Motto „tl;dr“, das ein Plädoyer für tiefergehende Informationen und nicht nur knappe Häppchen war.
Aus Praxissicht am interessantesten: Die Präsentation von Jacob Vicari. Zum einen wegen der Idee, die Zuhörer via tweet abstimmen zu lassen, ob das eben Gesagte spannend ist und es mit dem Unterthema weitergehen soll, oder nicht, womit der Sensor um seinen Hals rot geleuchtet hätte (was er nicht tat). Zusammen mit Hendrik Lehmann und Helena Wittlich vom Tagesspiegel präsentierte er, wie man mithilfe von Sensoren, RFID-Chips und Ähnlichem Daten gewinnen und journalistisch auswerten kann. Beispiele sind die Messdaten von (mit einfachen Mitteln selbstgebastelten) Feinstaubsensoren oder Fitnesstrackern (was wohl eher unfreiwillig Infos zu militärischen Sperrgebieten lieferte) – und natürlich die Radabstandsmessungen des Tagesspiegels. Diese Anwendungsmöglichkeiten, aber auch die Verantwortung, die damit einhergeht, haben die Autoren in einem „Manifest der Dinge“ zusammengefasst.
Einen Bericht mit Themen, die auf der rp19 diskutiert wurden, haben wir auf unserer FB-Seite eingestellt.